TK79 privat /  Grundwehrdienst

Spätestens als ich einen Infobrief meiner zuständigen Wehrverwaltung bekam, die mich über die bevorstehende Musterung bei der Bundeswehr informierte, wusste ich, daß man mich nicht vergessen hatte.
Naja, Bundeswehr ... sooo viel gehört hatte ich bis dahin nicht von der Bundeswehr, vielleicht auch nicht, weil ich nicht so militärisch angehaucht war. "... ach ja, die hatten beim Oderhochwasser mitgeholfen. Doch das ist keine militärische Aufgabe gewesen?!"
So weit, so gut. Ich wußte, daß ich mich entscheiden muss zwischen Grundwehrdienst und Zivildienst.
Eigentlich war für mich klar, daß ich Zivildienst machen werde, denn irgendwie hatte ich Angst davor, was bei der Grundausbildung da auf mich zukommen würde. Ich erhielt seit 1992 die Bundeswehrzeitschrift "Infopost" und da konnte man so einiges über die "Grundi" lesen, was einen nicht gerade dazu ermutigte, sich für den Grundwehrdienst zu entscheiden. Außderdem hörte man viel über Rechtsradikalismus bei der Bundeswehr in den Medien, was die Entscheidung für den Grundwehrdienst auch nicht gerade erleichterte.
Nachdem ich Ende 1997 gemustert wurde und als "T2" eingestuft wurde (wobei T1 die körperlich Besten sind), mußte ich dann zu einem "Intelligenztest", bei dem festgestellt wurde, wo man besonders gut ist und was man nicht so gut kann.
Irgendwie hatte ich mich dann Ende 1997 doch dazu entschieden, meinen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr anzutreten. Warum weiß ich auch nicht mehr so richtig, jedoch spielte die Neugier eine große Rolle.
Gegen Sommer 1998 erhielt ich dann den entscheidenden Brief ... die Einberufung. Schluck. Jetzt ist es zu spät. Jetzt kannst Du nichts mehr daran ändern. Naja, es ist schon niemand an der Grundausbildung gestorben (zumindest nur durch dumme Zufälle).
Im Einberufungsbescheid erfuhr ich, dass ich zur Teilstreitkraft der Luftwaffe einberufen wurde. Meine Grundausbildung soll am 1. September 1998 in Heide (Holstein) beginnen. Zufälligerweise wurde auch ein Kumpel in genau die selbe Kaserne einberufen, was die ganze Sache natürlich etwas erleichterte.
Als erstes schaute ich auf die Karte ... oha, Heide ist ganzschön weit weg von zuhause - mit dem Zug waren's über 6 Stunden.
Die Zeit verging, ich machte mein Abitur, genoß die freien 2 Monate nach dem Abi und dann war's auch schon Ende August.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mich im Internet ein bischen über die Bundeswehr zu informieren ... irgendwie wurde daraus nichts.
Nun war der 1. September. Ich sollte mich bis spätestens 18 Uhr in Heide bei der 12. Kompanie melden. Ich fuhr mit meinem Kumpel über Hamburg nach Heide und kam dann pünktlich in Heide gegen 14 Uhr an. Aus dem Zug stiegen - welch Wunder - neben uns noch mehr Jungendliche aus. Sie alle "wollten" zur Kaserne und hatten das gleiche vor sich, wie wir auch.
Dann sahen wir den Bundeswehrbus um die Ecke kommen und stiegen ein. Er fuhr los und wir kamen an. Vor der Kaserne mussten wir aussteigen und gingen an der Wache vorbei, die uns den Weg in das richtige Gebäude schilderte.
... und das hier soll zur Luftwaffe gehören? Außer ein paar ausgestellten alten Flugzeugen konnte man von Luftwaffe nichts spüren. Wie wir erst später erfuhren, bildet die Luftwaffe ihre Soldaten in spieziellen Luftwaffenausbildungsregimentern (LAR) aus und nicht, wie es z. B. beim Herr üblich ist, nebenbei beim "normalen" Kasernenbetrieb. LAR's sind sozusagen Schulen in denen die gerade einberufenen Zivilisten zu Soldaten erzogen werden.
Ich will (und darf) an dieser Stelle nicht allzusehr ins Detail meiner zweimonatigen Grundausbildungszeit in Heide schreiben.
Was mich jedoch wunderte war, daß selbst ich als "Sportskanone" keine großen Probleme bei der Grundi (so nannten wir liebevoll die Grundausbildungszeit) hatte. Mein einziges Problem waren meine Füße. Da ich meine Kampfstiefel falsch eingelaufen hatte, bekam ich bei den Märschen ständig Blasen an den Füßen, sodass ich vor Schmerzen fast einen Baum hätte mit den bloßen Zähnen fällen können. Ich habe noch heute (6 Monate nach meiner Grundi) rote Stellen an den Versen.
Im Fernsehen sieht man immer, dass die Ausbilder sehr streng sein sollen und die Soldaten von morgens bis abends anbrüllen. Das ist vielleicht in Amerika so - also in Heide war das nicht der Fall. Ab und zu gab's 'mal einen Brüller, aber das mußte auch sein, denn wie soll man denn mit guten Worten einem Menschen von 19 Jahren soldatisches Benehmen beibringen, wenn man ihn nicht anschnauzt?!
Insgesamt waren wir 6 Jungs auf der Stube 313, wir haben uns supermäßig verstanden und hatten viel Spaß. Manchmal hatten wir uns schon gefragt, welcher Ochse uns gebissen haben muß, und für die Bundeswehr zu entscheiden, doch als wir dann abends auf Stube zusammensaßen und den Tag revue passieren ließen, waren wir allesamt schon stolz darauf, daß wir den 15-km-Marsch (fast) ohne Probleme überstanden hatten. Ich hätte nie gedacht, daß ich so weit laufen kann! Wir hörten zuammen Radio und fast jedes Mal, wenn wir das Radion einschalteten, lief "Cruel Summer" (ein witziges Detail, denn unser Ausbilder hieß "Sommer" :o). Als Stubenmotto hatten wir "Genug ist zu wenig" (aus einem Lied von Herbert Grönemeyer) und als wir vom Biwak heimkamen und das Radio eingeschaltet haben, lief gerade "Viva forever", was wir natürlich in "Biwak forever" umtauften. Jedes Mal, wenn ich im Radion eines der drei Lieder höre, muß ich an die Grundi denken ... und ich schätze, daß das noch lange anhalten wird.
Nach gut einem Monat hatten wir dann unser Gelöbnis und schupps die wupps war die Grundi dann auch schon vorbei, schneller als wir dachten, hatten wir die schwerste Zeit hinter uns gebracht.
Als dann der Tag des Einplaners kam, waren wir alle aufgeregt. Der Einplaner sagt einem, wo man nach der Grundi hinkommen wird und was man dann in der sogenannten Stammeinheit macht.
Zunächst wurde ich nach Husum in den "elektronischen Bereich" eingeteilt, jedoch setzte sich unsere Vertrauensperson selbstständig für mich (und andere Kameraden natürlich auch) ein und ich wurde nach Laage mit der selben Verwendung eingeteilt.
Der letzte Tag kam näher und schon war er auch da. Und 6 von Stube 313 war gar nich so doll zumute, denn 2 Monate harte Ausbildung haben uns zu gute Kameraden gemacht. Am letzten Abend haben wir uns Pizzen bestellen dürfen uns haben Aschied voneinander genommen. Als ob Radio RSH es vermutet hätte, spielte RSH am Morgen des Umzuges auch prompt unsere 3 "Stubenlieder" hintereinander weg (ist doch komisch, nicht wahr?).
Die Adressen wurden ausgetauscht, ein "Tschüs" und weg waren wir, ganz gespannt auf die neue Einheit.
Nach ein paar Stunden Busfahrt kam ich dann auch in Laage (bei Rostock) an und bezog in Gebäude 20 die Stube 304.
Dort kam ich dann in der AIS als "Follow me"-Fahrer unter. ... der Bombenjob. Immer nahe an den Flugzeugen und keine körperlich schwere Anstrengung. So fuhr ich nun bis Mitte Februar als "Follow me" Fahrer, bis wir dann einen zivilen Kraftfahrer bekamen. Jetzt fahre ich nur nach Dienstschluß des zivilen Kraftfahrers und weise, falls es einmal notwendig sein sollte, fremde Flugzeuge ein.
Die Stimmung in der AIS war super und ich habe zum zweiten Mal "Schwein gehabt".
Der militärische Drill hat - zum Glück - stark nachgelassen, sodass man beim Aufstehen kein Sorgen mehr haben musste, was man sich nun schon wieder für uns ausgedacht hat.
Mit gemischten Gefühlen nähert sich der vor 10 Monaten so ersehnte letzte Tag. Gerne wäre ich noch in Laage geblieben, jedoch wartet meine nächste Herausforderung - meine Ausbildung zum Fachinformatiker.
Am 30.06.1999 endete mein Grundwehrdienst.
Nun möchte mich hiermit nochmals bei allen bedanken, die mir eine so schöne Grundi ermöglicht haben.

Ich hoffe, dass ich Euch meine Grundwehrdienstzeit ein bischen interessant geschildert habe und hoffe, den einen oder anderen dazu bewogen zu haben, sich für die Bundeswehr zu entscheiden.

Tino

30.08.1999

 

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